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Standort 1: Der Dorfteich

Bericht aus dem Buch „Spurensuche XI, Kindheit und Jugend in Schönkirchen, Schönkirchener Bürgerinnen und Bürger dokumentieren die Zeit vor dem 2. Weltkrieg, Howaldtsche Buchdruckerei, Kiel, 1997

Der Mittelpunkt von Schönkirchen war für uns immer der Dorfteich, und so wird es für uns auch weiterhin bleiben. Der Teich ist oftmals verändert worden. In den 20er und 30er Jahren gab es drei Fuhrten oder Einfahrten. Die grüne Schrägfläche und der breite Spazierweg rundherum gehörten noch bis ca. 1936 zum ursprünglich größeren Dorfteich. Damals wurde der Teich gänzlich ausgebaggert. Der Schlick wurde auf der Längsseite zur Dorfstraße (Apotheke) abgeladen. Es wurde mit Loren gearbeitet, die Aufsicht hatte Christian Wrampe, er war einst Ziegelmeister der Schönkirchener Ziegelei. Die Fuhrt unter der Doppeleiche wurde dabei verändert, es wurden zwei Steintreppen mit breiten Stufen gebaut. Eine gab es beim Haus am Dorfteich 9, die andere gegenüber bei Stoltenbergs Haus. Rund um den Teich wurde Rasen angelegt. Dieser brauchte aber nicht gemäht zu werden, denn das Gras wurde von den Enten und Gänsen kurz gehalten. Sie gingen zum Sattwerden auch weiter bis Friedrich Stoltenbergs Hof und zum Pastorat. Doch Pastor Sievers sah es gar nicht gern, denn die Gänse fraßen nicht nur das Gras, sie hinterließen auch was. Kam Pastor Sievers mit dem Fahrrad zum Dorfteich, dann lief der Ganter ihm hinterher, und der Pastor machte den Umweg zur anderen Seite.

Während unserer Kindheit waren wir sehr oft am Dorfteich. Wenn im Frühjahr die ersten warmen Tage kamen, sah man bald viele kleine Schuhe und Strümpfe am Teich liegen. Die kleinen Mädchen hielten die Röcke hoch, damit diese bei dem ersten Spaziergang im warmen Dorfteichwasser nicht naß wurden. Dann sagten wir: „Sieh da, Saisoneröffnung“. Wir waren meistens nur mit den Füßen im Wasser, einige wenige haben gebadet, manche wurden auch gebadet. An den Fuhrten des Teiches waren die Fuhrleute und wuschen ihre Wagen, auf der anderen Seite waren wir. Hinterher hatten wir immer viele kleine Blutegel an den Beinen. Dann haben wir uns auf die Mauer am Dorfteich gesetzt und sie wieder herausgezogen. Unsere Eltern haben bei Trockenheit vom Dorfteich Wasser zum Begießen mit zum Friedhof genommen, als sich dort noch keine Pumpe befand oder diese wegen der Trockenheit kein Wasser gab.

Die Kinder aus der Schönberger Landstraße waren nicht so oft am Dorfteich. Der Weg war für sie viel zu weit. Wir Kinder aus Eigenheim Kiel-Oppendorf sind manchmal zum Schönkirchener Dorfteich gelaufen, um uns dort das Wagenwaschen anzusehen. Pferde und Wagen im Dorfteich waren für uns immer ein besonderes Ereignis. Das Wagenwaschen im Dorfteich war in der Vorkriegszeit nicht ungewöhnlich. Es gab nicht viele Wagen auf den einzelnen Hofstellen, so musste mit dem gleichen Wagen z. B. Mist gefahren werden und hinterher Pflanzkartoffeln oder Saatgetreide. Nach dem Mistfahren musste der Wagen gewaschen werden, und das geschah dann im Dorfteich. Später war die Wagenwäsche im Dorfteich verboten, dennoch wurde es gemacht. Auch die Pferde wurden im Dorfteich getränkt, sie kannten den Weg und liefen nach dem Ausspannen von ganz alleine zum Teich. Wenn Waschtag war, wurde die Wäsche von den Anliegern des Dorfteichs dort auch gespült. Dies geschah auch im Winter, wenn dickes Eis war. Mit der Axt wurde dann ein Loch ins Eis bei der Treppe geschlagen.

Im Winter waren wir allesamt auf dem Dorfteich. Entweder sind wir vom Smed-Barg (Smed = Schmiede, es gab früher eine, die um 1760 abgebrannt ist) vor dem Gildehaus mit dem Schlitten auf den Teich gerodelt, oder wir sind Schlittschuh gelaufen. Dabei sind wir auch schon einmal eingebrochen. Wir wären wohl auch keine Schönkirchener Kinder gewesen, wenn wir nicht mal im Teich gewesen wären.

Der Dorfteich war immer schon Mittelpunkt für kulturelle Veranstaltungen. Der Umzug der Gilde begann am Dorfteich, dort wo heute der Dorfplatz entsteht, das ist bis heute so geblieben. Nach dem Krieg haben hier sowohl die Frauen- als auch die Männerriege mit Paul Schmidt Vorführungen gemacht. Außer den freudigen Ereignissen um den Dorfteich herum gibt es auch Trauriges zu berichten. So erinnern wir uns z. B. an die Geschichte vom „Seefahrer über alle Meere“ Otto Wulf.  Dieser wäre nach einer Gildefeier Anfang der 50er Jahre bei der Drosselgilde fast ertrunken, wenn er nicht im letzten Moment gerettet worden wäre. Der „Seefahrer über alle Meere“ hatte mit dem Leiter der Westbank Lundius und Heino Ibelshäuser um einen Kasten Bier gewettet, dass er durch den Dorfteich schwimmen könne. In der Mitte des Teiches überkam ihn eine große Leere, und der „Seefahrer über alle Meere“ ging unter. August Kähler und Malermeister Franz Schlappkohl gingen in den Dorfteich und holten Otto Wulf heraus. Er wurde auf die Straße gelegt und wiederbelebt. Hinterher erzählte man sich im Dorf: „Dor keem twe Dokters und hebbt den stieven Mann masseert, se leeten em dat Woder aw, und he keem wedder to Lebenskraft“. Tragischer war es Ende der vierziger Jahre, damals ist der zweijährige Joachim, der Sohn des Gastwirtes Mordhorst, im Dorfteich ertrunken.

In den 20er Jahren gab es noch fünf Strohdachhäuser am Dorfteich: Rußmanns Gebäude mit dem Heckschauer, Bäcker Wernecks Scheune, Heinrich Stoltenbergs Wohnhaus (das alte Pastorenwitwenhaus), Hans und Meta Stoltenbergs Wirtschaftsgebäude und der dazugehörige Altenteiler (Hörn-Huus).

Jürgen H. Waldner

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