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24.11.2017

Bildzyklus Golgatha im Heikendorfer Rathaus jetzt mit Erläuterungstext

Seit Eröffnung des Heikendorfer Rathauses 1981 hängt der neunteilige großformatige Bildzyklus „Golgatha“ des Malers Rudolf Behrend  im Eingangsbereich. Viele Besucher und Mitarbeiter des Rathauses sind schon hundertfach an diesem Triptychon vorbeigegangen, ohne die Zusammenhänge und Aussagen der Einzelbilder zu kennen.

Prof. Dr. Uwe Ruberg, der den Behrend´schen Nachlass verwaltet, hat als Verständnishilfe für den Betrachter jetzt einen Erläuterungstext verfasst. Dieser liegt im Treppenaufgang  in gedruckter Form zum Mitnehmen aus.

Infos zum Werk und der Erläuterungstext im Wortlaut

Ursprünglich war Golgatha als Schenkung für die Heikendorfer Kirche gedacht. Der frühere Bürgermeister Herbert Sätje setzte sich für eine dauerhafte Präsentation im Rathaus ein.

Als Siebzigjähriger hatte Behrend nochmal seine Zeichnungen „Kriegsprotokoll 1914-1918“ aufgegriffen, offenbar um sich mit aller expressionistischen Kraft im Triptychon Golgatha die erschütternden Kriegserfahrungen von der Seele zu malen, als seine Art eines Mahnmals, fern von Heroisierung des Krieges.

 

GOLGATHA – Bildzyklus von Rudolf Behrend, Heikendorf (1895-1979), Öl auf Leinwand, entstanden 1964/65

                                                            "Brandmarkung des Krieges"

 

Mit dem Titel Golgatha ruft Rudolf Behrend den „Schädelstätte" genannten Hügel vor Jerusalem auf, wo nach biblischer Überlieferung Jesus wie ein Verbrecher ans Kreuz geschlagen wurde. Behrend nutzt die alte dreiteilige Triptychon-Gestalt christlicher Altäre hier als sakrales Pathos-Formular des Leidens, zerlegt dabei die hergebrachten drei Flügel in neun Felder.

Die untere Dreierreihe legt eine biblisch motivierte Basis, keine verheißungsvolle, etwa Schöpfung – Gottesbund

– Erlösung, sondern eine unheilvoll nachwirkende: Versuchung und Sündenfall im Paradies – Kains Brudermord an Abel – apokalyptischer Untergang.

Die mittlere Reihe demonstriert dreifach die Grausamkeit des Krieges: Eine Mutter, durch einen Soldaten bedroht, beugt sich schützend über ihre drei Kinder – Krieg Mann gegen Mann mit Bajonetten, aber auch schon anonymisiert mit schleichendem Giftgas (Behrends Erfahrung im 1. Weltkrieg, wie auch aktuelle Realität 1964/65 in Vietnam) – Sterbende und Gefallene im Schützengraben.

In der oberen Dreierreihe wird die biblische Trias, Christus zwischen zwei Verbrechern, aktualisierend in eine Porträtreihe dreier „gemarterter Schädel" überführt. Der linke „Schächer" schreit aggressiv Schmerz und Verzweiflung heraus, der rechte sucht gebeugten Hauptes nach Fassung und Einsicht, vielleicht Vergebung. Das erhobene Märtyrerhaupt in der Mitte trägt scharfe Dornen (jedoch keine Dornenkrone) und die traumatisierten Gesichtszüge des Künstlers Rudolf Behrend selbst.

Prof. Dr. Uwe Ruberg

Über den Maler Rudolf Behrend

Rudolf Behrend wurde 1895 in Neuheikendorf geboren und lernte zunächst Maurer und später Dekorationsmaler. Ein Studium der Malerei vereitelte der 1. Weltkrieg. Aus englischer Gefangenschaft zurückgekehrt besuchte Behrend kurz die Kunstgewerbeschule (heute Muthesius-Hochschule) in Kiel, setzte seine Künstlerkarriere aber anschließend als Autodidakt fort. Durch seine Beziehung zum Flensburger Kunsthändler Peter Hattesen erhielt er seit den 1930er Jahren einen unmittelbaren Zugang zu Kunst und Künstlern der klassischen Moderne, welches sein Schaffen in den kommenden Jahrzehnten entscheidend prägte.

In den 1950er und 60er Jahren entwickelte Behrend, der stets um eine Erweiterung seiner künstlerischen Ausdrucksformen bemüht war, seine Bildsprache weiter und schuf eine Reihe abstrahierender Gemälde. 1952 gründete Behrend zusammen mit Karl Peter Röhl, Hans Rickers und Werner Lange die Kieler Künstlervereinigung „Neue Gruppe“. In den 1960er Jahren gab er den Anstoß zur Bildung der „Gruppe NO“(Nord-Ostsee), der auch Rickers, Fritz Hensel, Hannes Schulze-Froitzheim und Fritz Neuser angehörten. Rudolf Behrend starb im Februar 1979 in Neuheikendorf.

Das Werk Rudolf Behrends umfasst sowohl die Malerei als auch Druckgrafiken, Aquarelle und Zeichnungen. Seine Bilder sind u.a. in den Sammlungen des Schleswig-Holsteinischen Landesmuseums, des Kieler Stadt- und Schifffahrtsmuseums und des Künstlermuseums Heikendorf sowie in vielen öffentlichen Verwaltungen (z.B. im Heikendorfer Rathaus und Plöner Kreishaus) und privaten Sammlungen vertreten.

Über Prof. Dr. Uwe Ruberg

Der 1936 in Kiel geborene Uwe Ruberg lehrte deutsche Literaturgeschichte des Mittelalters und der Frühen Neuzeit an den Universitäten Montreal, Münster und Mainz. Lehraufträge an den Universitäten Kairo und Peking. Schwerpunkte: Erzählforschung, Tierdichtung, Sprachreflexion, mittelalterliche Weltkarten, intermediales Zusammenwirken von Text und Bild. Zu Rudolf Behrend hat er u.a. „Der holsteinische Maler Rudolf Behrend und seine Kunst als Weggenossin durch das wilde und rätselhafte Leben“ veröffentlicht.
Bürgermeister Alexander Orth hier im Gespräch mit Prof. Dr. Uwe Ruberg © CK
Bürgermeister Alexander Orth hier im Gespräch mit Prof. Dr. Uwe Ruberg © CK
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